Spekulation auf Mallorca: Wie Investmentkäufe Wohnungen verdrängen

Mallorca im Würgegriff der Spekulation: Wenn Wohnungen zu Finanzprodukten werden

👁 2376✍️ Autor: Ana Sánchez🎨 Karikatur: Esteban Nic

Investmentfonds haben seit 2007 rund 15 Prozent der zum Verkauf stehenden Wohnungen auf den Balearen gekauft. Was bedeutet das für Menschen, die hier leben? Ein kritischer Blick auf Ursachen, Folgen und mögliche Gegenrezepte.

Mallorca im Würgegriff der Spekulation: Wenn Wohnungen zu Finanzprodukten werden

Wie Rendite das Zuhause verdrängt – und was jetzt auf der Insel fehlt

Leitfrage: Kann Mallorca weiterhin ein Ort zum Leben sein, wenn große Kapitalanleger jede sechste zum Verkauf stehende Wohnung aufkaufen?

Die nackten Zahlen sind klar: Nach Angaben des Consejo General del Notariado haben Investmentgesellschaften seit 2007 etwa 35.854 Wohnungen auf den Balearen erworben, das sind knapp 15 Prozent aller Verkäufe in diesem Zeitraum. Auf den Straßen Palmas hört man das an anderer Stelle: weniger Schilder "Se Vende" für kleine Familienwohnungen, mehr Diskussionsrunden in Cafés über Mietpreise und Zukunftsperspektiven.

Kritische Analyse: Der Markt bleibt nicht mehr einheimisch. Firmen greifen häufiger zu größeren Häusern, oft mit touristischen Nutzungsoptionen, und zahlen im Schnitt rund 3.137 Euro pro Quadratmeter gegenüber 2.484 Euro, die private Käufer ausgeben. Solche Unterschiede verschieben das Preisniveau nach oben. Parallel kommen rund 38 Prozent der Käufer aus dem Ausland, viele als Kapitalanlage, nicht als Wohnsitz. Das Ergebnis ist ein doppelter Verknappungsmechanismus: weniger Angebot für Dauerwohnende und Marktpreise, die Privathaushalte immer weiter überfordern.

Was in der öffentlichen Debatte oft fehlt: Eine differenzierte Betrachtung der Eigentumsformen. Es wird viel über "Investor" gesprochen, aber wenig über die konkreten Vertragsmodelle, die Leerstand begünstigen oder die Umwandlung von normalen Mietwohnungen in kurzfristig vermietete Apartments erleichtern. Ebenfalls unterbelichtet bleibt, wie Kommunen derzeit kommunale Instrumente einsetzen oder nicht einsetzen: Von Umwandlungsverbote bis zu spezifischen Aufkaufsprogrammen gibt es Praxisbeispiele, die hier kaum ins Rampenlicht treten.

Alltagsbild: Am Vormittag an der Plaça Weyler steht eine ältere Frau und telefoniert, ihr Enkel besucht bald die Schule; sie erzählt, wie Nachbarn wegzogen, weil die Mietverträge stiegen. Ein paar Straßen weiter sieht man Handwerker, die eine Wohnung in einer alten Finca in Portixol modernisieren; realistischerweise steht die Vermarktung eher auf Rendite als auf Nachbarschaftspflege. Solche Szenen wiederholen sich in Dörfern und Vierteln – vom Mercat de l'Olivar bis zu den Bögen in Alcúdia.

Fehlende Debattenpunkte in Politik und Medien: Die langfristigen Folgen für soziale Infrastruktur werden zu wenig beachtet. Schulen, Ärzte, Busverbindungen – wenn Dauerbewohner verdrängt werden, bricht auch die Nachfrage für diese Angebote ein. Außerdem bleibt die Frage offen, wie kommunale Planungs- und Steuerinstrumente besser aufeinander abgestimmt werden können, damit Renditeinteressen nicht automatisch Vorrang vor dem Wohnbedarf haben.

Konkrete Lösungsansätze, praktikabel für Mallorca:

- Begrenzung von Massenaufkäufen: Kommunen könnten Erwerbsquoten prüfen oder Meldepflichten für größere Portfolios verlangen, um Transparenz zu schaffen.

- Zweckbindung beim Weiterverkauf: Beschränkungen, die den Weiterverkauf nur an private Eigentümer erleichtern, würden Spekulationszyklen brechen.

- Steuerliche Anreize für Dauervermietung: Ermäßigungen oder Zuschläge könnten Eigentümer dazu bewegen, Wohnungen an Langzeitmieter statt an Ferienvermietungen zu geben.

- Kommunale Ankauffonds und Community-Land-Trusts: Stadt oder Gemeinde sammeln Kapital, kaufen gezielt Bestandswohnungen und halten sie dauerhaft dem Wohnungsmarkt für Einheimische zugänglich.

- Verstärkte Datenpolitik: Eine regelmäßig aktualisierte, öffentlich zugängliche Datenbank über Besitzverhältnisse, Leerstand und Nutzungslizenzen würde politische Entscheidungen fundierter machen.

Solche Instrumente erfordern Mut zur Veränderung und eine enge Verknüpfung von Stadtplanung, Steuerrecht und sozialer Politik. Der Blick nach außen zeigt, dass Regionen mit vergleichbaren Problemen teils striktere Regeln eingeführt haben, aber die Balearen stehen vor besonderen Herausforderungen: Insulare Knappheit, hohe touristische Nachfrage und ein dichtes Nebeneinander von Erst- und Zweitwohnsitzen.

Pointiertes Fazit: Es geht nicht nur um Zahlen, sondern um Alltagsleben. Wenn Investoren ein Prozent mehr Rendite erzielen können, während Familien einen bezahlbaren Platz zum Leben verlieren, dann ist das ein Systemfehler, der politisch zu beheben ist. Die Maßnahmen reichen von Meldepflichten bis zu kommunalen Wohnfonds; sie sind keine Wundermittel, aber nötig, um die Inseln wieder als Wohnorte funktionsfähig zu machen. Wer jetzt nicht handelt, riskiert, dass Mallorca mehr und mehr zu einem Produkt für Geldanleger wird statt zu einem Zuhause für die, die hier arbeiten, Kinder großziehen und den Alltag organisieren.

Die kommenden Monate werden zeigen, ob Ankündigungen auf nationaler Ebene in konkrete lokale Werkzeuge übersetzt werden. Bewohner, Nachbarschaften und lokale Verwaltungen sollten die Zeit nutzen, um verlässliche Lösungen vorzuschlagen – bevor aus Wohnraum Ware wird, die nur noch auf dem Blatt glänzt.

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